Durchgängigkeit sächsischer Fließgewässer Durchgängigkeit sächsischer Fließgewässer
Bild: Arndt Zimmermann
Durchgängigkeit sächsischer Fließgewässer

Der Landesverband Sächsischer Angler e. V. (LVSA) als mitgliederstärkste  anerkannte Naturschutzvereinigung im Freistaat ist besorgt über den Zustand der sächsischen Fließgewässer. Mit Einführung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) im Jahr 2000 wurde europaweit angestrebt, alle vorhandenen Gewässer bis 2015 in einen qualitativ „guten Zustand" zu überführen. Dieser „gute Zustand“ wird anhand von ökologischen, chemischen und gewässerstrukturellen Parametern bewertet.

Es ist erwiesen, dass sich insbesondere die Wasserkraft negativ auf das Ökosystem Gewässer auswirkt. Jeder Aufstau bewirkt eine Unterbrechung der natürlichen Gewässerstruktur, verhindert notwendige Fischwanderungen und entzieht dem ursprünglichen Gewässerverlauf das Wasser.

In einer diesbezüglichen Anfrage an das sächsische Umweltministerium (SMEKUL) teilte uns Herr Staatsminister Günther mit, dass von den aktuell 311 in Betrieb befindlichen Laufwasserkraftanlagen in Sachsen derzeit lediglich 31 als vollständig durchgängig bewertet werden können (Stand: Oktober 2021). Ferner teilte uns das Ministerium mit, dass die Überwachung der Betreiberpflichten von Wasserkraftanlagen den zuständigen Wasserbehörden obliegt. Für unseren Verband ist es nicht nachvollziehbar, weshalb auch im Jahr 2022 trotz der WRRL noch immer 90 % der Wasserkraftstandorte nicht vollständig durchgängig sind.

Das Ministerium teilte uns weiterhin mit, dass es die Erschließung des Wasserkraftpotenzials in Sachsen als weitestgehend abgeschlossen bewertet. Der LVSA übergibt regelmäßig und exemplarisch eine Auflistung von Wasserkraftanlagen an das Ministerium, wo aus Sicht des Verbandes  Abweichungen von gesetzlichen Vorgaben bestehen. Derartige Missstände können nur durch verwaltungsrechtliches Handeln abgestellt werden. Das Ministerium hat uns hierzu ebenfalls mitgeteilt, dass je nach Einzelfall entsprechende Verfahren eingeleitet wurden.

An Gewässern erster Ordnung verfolgt die sächsische Landestalsperrenverwaltung (LTV) eine Strategie zur Herstellung der Durchgängigkeit. Nach Mitteilung des SMEKUL betreibt die LTV aktuell ca. 120 derartige Projekte. Weiterhin erfolgt die zielgerichtete Identifizierung weiterer Durchgängigkeitsmaßnahmen zur Erreichung des guten ökologischen Zustands im Zuge durch die seitens der LTV zu erarbeitenden Gewässerentwicklungskonzepte für die Gewässer erster Ordnung.

Einige Akteure aus der sächsischen Politik rufen aufgrund der aktuellen Energiekrise nach einer stärkeren Nutzung der sächsischen Wasserkraft, um den Fokus auf eigene Energiequellen zu richten. Aus Verbandssicht ist die kleine Wasserkraft weder nachhaltig noch ökologisch. Fischwechselanlagen können ökologische Nachteile vielleicht abmildern, aber keinesfalls  kompensieren. Das Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin (IGB) hat in einer Studie festgestellt, dass jeder fünfte Fisch, der die Turbine einer Wasserkraftanlage passiert, getötet wird bzw. potentiell tödliche Verletzungen erleidet. Das internationale Team von Fachwissenschaftlern hat darauf hingewiesen, dass die Energiewende nicht auf Kosten der Biodiversität erfolgen darf. Der LVSA fordert seit geraumer Zeit insbesondere den Rückbau durchgängigkeitsbehindernder Anlagen.

Hinzu kommt, dass die sächsischen Laufwasserkraftanlagen nur einen Bruchteil an der sächsischen Gesamtstromerzeugung liefern. Die sächsische Staatsregierung hat anlässlich diverser kleiner Anfragen von Abgeordneten des sächsischen Landtages mitgeteilt, dass beispielsweise in den Jahren 2017 der Anteil der Wasserkraft 0,65 % und im Jahr 2018 lediglich 0,44 % betrug. In den letzten Jahren dürfte dieser Anteil aufgrund der wenigen Niederschläge noch weiter gesunken sein. Im Juni 2021 hatten 85 % der Wasserkraftanlagen einen Leistungsbereich unter 0,5 MW.

Die Bundesregierung hatte mit dem „Osterpaket“ angekündigt, dass in Deutschland kleine Wasserkraftanlagen mit einer Leistung unter 500 KW aus ökologischen Gründen nicht mehr gefördert werden sollen. Dieser ursprüngliche Gesetzesentwurf, die bislang garantierte Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ab dem 01.01.2023 für alle WKA mit einer Leistung unter 500 Kilowatt ersatzlos zu streichen, ist nach einer Kehrtwende durch die Politik wieder vom Tisch. Diese Entscheidung ist eine ökologische Katastrophe, denn der marginale Beitrag der Kleinwasserkraft an der Stromerzeugung und die enormen Schäden auf das Gewässerökosystem stehen in keinem Verhältnis. Somit werden Wanderfischpopulationen weiter einbrechen und die gesamte Biodiversität wird leiden. Mit diesem absurden Kurs des Bundes wird der Freistaat Sachsen (und Deutschland) die verbindlichen Ziele der Wasserrahmenrichtlinie ebenfalls weiter verfehlen. Unsere wertvollen Fließgewässer werden für subventionierte Kleinwasserkraftanlagen geopfert, welche für die Energiesicherheit irrelevant sind.

Der LVSA fordert daher die sächsische Politik auf:

  • keine neuen Stau- und Wasserkraftanlagen
  • verwaltungsrechtliche Forderungen und Kontrollen zur vollständigen Durchgängigkeit an Bestandsanlagen:
    • Nachrüstungen entsprechend Stand der Technik mit wirksamen Rechenanlagen
    • Herstellung funktionstüchtiger Fischauf- und Abstiegsanalgen an  Bestandsanlagen
    • dauerhafte Abgabe der notwendigen Mindestwasserabgabemenge an
      das Mutterbett
    • Einführung eines verbindlichen Niedrigwasserregimes
  • Rückbau durchgängigkeitsbehindernder Anlagen

Jeder Interessierte kann sich in der Querbauwerksdatenbank des Freistaates Sachsen über wesentliche Daten informieren. Diese Informationen sind frei zugänglich unter www.smul.sachsen.de/Wehre.